Was ist Schemapädagogik®?

    Schemapädagogik ist eine theoretische und praktische Weiterentwicklung der Schematherapie von J.E. Young. Sie kann als „neue“ Pädagogik bezeichnet werden, die insbesondere zur Professionalisierung in sozialpädagogischen und psychosozialen Arbeitsfeldern beitragen will. Entwickelt wurde sie von dem Erziehungswissenschaftler Marcus Damm (Berufsbildende Schule Hauswirtschaft/Sozialpädagogik Ludwigshafen).

    Grundlagen

    Die Schemapädagogik® ist ein integratives Konzept, ein in sich stimmiger Ansatz, der sich zusammensetzt aus Erkenntnissen verschiedener Humanwissenschaften und Therapieverfahren, nämlich: Neurobiologie, Psychoanalyse, Bindungsforschung, Motivationspsychologie, Transaktionsanalyse und kognitiv-behaviorale Therapie.

    Hauptsächlich beruft sich die Schemapädagogik auf die Schematherapie, aber auch andere schemaorientierte Psychotherapiekonzepte werden miteinbezogen, vor allem die Klärungsorientierte Psychotherapie (Rainer Sachse) und die Kognitive Therapie (Aaron T. Beck und Albert Ellis).

    Schemapädagogen gehen davon aus, dass „schwierige“ Kinder und Jugendliche in verschiedenen Lebensphasen, in Wechselwirkung mit der sozialen Umwelt, spezielle hinderliche Wahrnehmungsmuster (Schemata) erworben haben, die sich schlussendlich zusammensetzen aus gedanklichen, körperlichen und emotionalen Inhalten. Meistens gehen nachteilige Schemata auf Frustrationen der existenziellen menschlichen Grundbedürfnisse zurück, sie können aber auch durch antrainierte Konditionierungen entstehen.

    Diese nachteiligen Erwartungs- beziehungsweise Zuschreibungsmuster beeinträchtigen meistens das ganze Leben lang das Selbstbild und können auch die Beziehungen zu anderen negativ beeinflussen, vor allem die Interaktion mit LehrerInnen/ Sozialpädagogen/Sozialarbeitern. Denn Schemata steuern Gedanken und Verhaltensweisen, sie sorgen für eine selektive Wahrnehmung.

    Das heißt, dass Lehrer/Erzieher/Sozialarbeiter vom Anderen nicht objektiv wahrgenommen werden, sondern verzerrt; dies führt gewöhnlich zu vielen Beziehungsstörungen, die durch die herkömmliche pädagogische Diagnostik nicht in ihrer Komplexität erfasst werden.

    Die Schemapädagogik® setzt daher nach der Diagnostikphase genau an dysfunktionalen Schemata an, und zwar mittels bestimmter Interventionen, die einerseits im größeren Umfang im ambulanten und stationären therapeutischen Setting zum Einsatz kommen, die andererseits aber auch speziell auf Lehrer/Erzieher/Sozialarbeiter zugeschnitten sind. Ein Ziel schemapädagogischen Wirkens ist die Herstellung einer tragfähigen Beziehung, damit Erziehung und Bildung effizient praktiziert werden können.

     

    Anwendungsbereiche

    Schemapädagogik kann in vielen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern praktiziert werden, etwa im Kindergarten, Schule, Hort, Heim. Aber auch psychosoziale Arbeitsfelder bieten sich an, zum Beispiel die Einzelfallhilfe, Paarberatung, Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe, der Strafvollzug/Bewährungshilfe, die Suchtberatung, Straßensozialarbeit.

     

    Schemapädagogik in der Praxis

    Im Unterschied zu Klienten, die eine Psychotherapie in Anspruch nehmen, sind Zu-Erziehende/Klienten nicht unbedingt motiviert, an ihren nachteiligen Schemata zu arbeiten. Daher bietet sich für Schemapädagogen eine Mischung aus verdecktem und offenem Vorgehen an. Es liegt im Ermessen des Sozialpädagogen/Sozialarbeiters, wie er interveniert.

    Am Anfang geht es zunächst um den Beziehungsaufbau. Schemapädagogen achten in der Anfangsphase auf Auffälligkeiten in der Kommunikation und im Verhalten, die öfter auftreten. Hinweise auf dysfunktionale Schemata können sein: ständige Herabsetzung anderer, Einzelgängertum, extreme Schüchternheit. Um „Beziehungskredit“ (Sachse) herzustellen, bietet sich an, sich komplementär zur Motivebene zu verhalten. Nebenbei sind auch die Anregungen zur allgemeinen Beziehungsgestaltung der humanistischen Psychologie hilfreich: Akzeptanz, Empathie, Kongruenz.

    Darüber hinaus muss irgendwann erkannt werden, welches Bedürfnis hinter den auffälligen Verhaltensweisen des Zu-Erziehenden/Klienten steht. Der Schemapädagoge geht „stichprobenartig“ auf das Bedürfnis ein, was zum Aufbau der Beziehung beiträgt. Erst nach diesem Aufbau ist Konfrontation mit den Kosten des Verhaltens möglich. Dabei darf auch herausfordernd vorgegangen werden, indem (ab dem Jugendalter) gemeinsam die problematischen Bewältigungsversuche (vor allem: Kompensation) kritisch reflektiert werden. Hierdurch soll beim Zu-Erziehenden/Klienten ein Gespür für die innere Ambivalenz hergestellt werden; ebenfalls soll die Aufmerksamkeit für die unterschiedlichen Bewältigungsreaktionen geschärft werden. Letztlich müssen aber auch Ressourcen erschlossen werden, damit die Modifikation des Verhaltens auch einen „belohnenden Charakter“ hat.

    Literatur

    Marcus Damm: Zu-Erziehende ganzheitlich fördern. Von der Schematherapie zur Schemapädagogik. Wiesbaden: VS-Verlag. 2010. Marcus Damm: Schemaorientierte Psychotherapiekonzepte und ihre Potenziale für psychosoziale Berufe. Ein praxisorientiertes Handbuch. Hannover: Ibidem. 2010.